Bundesebene

Grundgesetz
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hält wichtige Grundrechte fest. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ (Art. 1 Abs. 1 GG) ist das wohl bekannteste Grundrecht. Außerdem regeln die Grundrechte im Grundgesetz wichtige Sachverhalte wie das „Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit“ (Art. 2 Abs. 1 GG), das „Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Diskriminierungsverbot durch den Staat (Art. 3 Abs. 3 GG). So berufen sich z.B. Verbände und Inter*-Aktivist*innen auf den Art. 1 Abs. GG (Unverletzlichkeit der Würde) und den Art. 2 Abs. 2 GG (Recht auf körperliche Unversehrheit), um gegen geschlechtsangleichende Operationen von inter* Säuglingen und Kindern zu intervenieren.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Das AGG verbietet die Diskriminierung von Menschen aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, des Lebensalters, rassistischen Zuschreibungen, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung oder chronischen Erkrankungen. Das AGG findet seine Anwendung jedoch nur im Bereich Arbeit und sog. „Massengeschäfte“ (z.B. Mieten, Einkäufe, Verträge…). Im Bereich Bildung findet es somit nur Anwendung auf, z.B., Lehrer*innen, die von ihren Arbeitgeber*innen oder Kolleg*innen diskriminiert oder sexuell belästigt werden. Es greift leider nicht in Bezug auf die Diskriminierung von Schüler*innen. Hier sind Landesrichtlinien gefordert, diese Lücke zu füllen und klar zu stellen, dass Diskriminierung an Schulen bzw. in der Kinder- und Jugendhilfe verboten sind. Gibt es diese Landesrichtlinien nicht, besteht eine große Schutzlücke in diesem Bereich. Aus diesen und weiteren Gründen drängen Vereine und Verbände seit Jahren auf eine Novellierung des AGG.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) möchte das Merkmal „Geschlecht im AGG explizit angewendet wissen in Bezug auf „Frauen, Männer, trans*- und inter*-Personen“ (ADS: AGG-Wegweiser Erläuterungen und Beispiele zum AGG, S. 11).

Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz KJSG)
Das am 9. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlichte und damit umfänglich in Kraft getretene KJSG ist ein Meilenstein in der Novellierung des SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfegesetz. Der für uns wichtige Absatz 3 unter Artikel 9 wurde mit folgendem Wortlaut geändert: „… die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen, Jungen sowie transidenten, nichtbinären und intergeschlechtlichen jungen Menschen [sind] zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern.“ Durch die Änderung rückt der Fokus weg von einer zweigeschlechtlichen Betrachtungsweise hin zu einer vielfältigen. Im KJSG wird nunmehr eine Kinder- und Jugendhilfe gefordert, die sich der Wahrnehmung, Akzeptanz und Gleichberechtigung ALLER Geschlechter verschreibt.

Personenstandsgesetz
Artikel 22 Absatz 3 des Personenstandsgesetzes legt fest: „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so kann der Personenstandsfall auch ohne eine solche Angabe oder mit der Angabe „divers“ in das Geburtenregister eingetragen werden. Das bedeutet, dass Kinder neben den Einträgen „männlich“ und „weiblich auch ohne Eintrag oder mit dem Eintrag „divers“ eingetragen werden können. Damit gehört Deutschland zu den wenigen Staaten weltweit, die die Existenz von mehr als zwei Geschlechtern rechtlich anerkennen. Der Gesetzgeber intendiert, damit vor allem der Lebenssituation inter* Kinder Rechnung zu tragen. Für trans* Kinder soll der Eintrag nicht nutzbar sein, was zahlreiche Kritik von Verbänden hervorgerufen hat.

Regenbogenfamilien
Der Familienreport 2020 listet, dass in Deutschland in rund 8 Millionen Familien Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren aufwachsen (Zahlen von 2018). Davon sind 5,6 Millionen verheiratete heterosexuelle Paare. Die restlichen 2,4 Millionen verteilen sich auf verheiratete gleichgeschlechtliche Paare, Lebensgemeinschaften (hetero- oder homosexuell) und auf alleinerziehende Väter* und Mütter* bzw. Patchwork-Konstellationen. (1) Seit Oktober 2017 können gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland heiraten, was ein wichtiger Baustein für die rechtliche Absicherung von Regenbogenfamilien darstellt („Ehe für alle ). Damit beide Elternteile abgesichert sind, muss die*der eine Partner*in das leibliche Kind des*der anderen adoptieren (Stiefkindadoption). Dies ist eine Hürde, denn bei heterosexuellen Partnerinnen ist automatisch derjenige (sozialer) Vater, der mit der Mutter zur Geburt des Kindes verheiratet ist, sie müssen nicht adoptieren. Auch ist es für unverheiratete Männer*- und Frauen*-Paare sehr schwierig, Kinder zu adoptieren. Hier besteht Nachbesserungsbedarf, um der gesellschaftlichen Realität gerechter zu werden und Familien gleich welcher Zusammensetzung rechtlich abzusichern. Zu der Frage, wie sich Kinder in Regenbogenfamilien entwickeln, gibt es mittlerweile einiges an Forschung. Gängige Vorurteile waren und sind es zum Teil noch heute, „dass Kinder von lesbischen Müttern oder schwulen Vätern selbst später einmal schwul oder lesbisch werden, dass sie kein adäquates Geschlechtsrollenverhalten ausbilden oder bezüglich der eigenen geschlechtlichen Identität verwirrt seien“. (2) Studien haben diese Vorurteile widerlegt. Eine solide Zusammenfassung kann man auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung nachlesen.


1 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020): Familie heute. Daten. Fakten. Trends Familienreport 2020:
(Zugriff 05.01.2020, 10:00).
2 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2018):
(Zugriff 05.01.2020, 10:00).

International

UN-Kinderrechtskonvention
Die UN-Kinderrechtskonvention, das wichtigste internationale Instrument, um Menschenrechte für Kinder zu sichern. Für eine auf Geschlechtervielfalt bezogene Pädagogik sind insbesondere die Artikel 2, 3, 12 und 28 der UN-Kinderrechtskonvention relevant:

  • Artikel 2 Abs. 1 regelt, dass Kinderrechte jedem Kind „ohne jede Diskriminierung“ zugesprochen werden müssen, unabhängig von „der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status des Kindes, seiner Eltern oder seines Vormunds.“
  • Artikel 3: Das Kindeswohl ist vorrangig zur berücksichtigen – bei allen Maßnahmen, seien sie von privaten oder von öffentlichen Einrichtungen durchgeführt.
  • Artikel 12 Abs. 1: Es wird anerkannt, dass ein Kind „fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, […] diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern“, und diese Meinung ist „angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife“ zu berücksichtigen.
  • In Artikel 28 Abs. 1 lit d ist als internationales Bildungsziel festgelegt, „dass das Kind auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im Geist der Verständigung, des Friedens, der Toleranz, der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Freundschaft zwischen allen Völkern und ethnischen, nationalen und religiösen Gruppen sowie zu Ureinwohnern vorzubereiten“ ist.

 

LANDESEBENE

KiFöG – Kinderförderungsgesetz
Das Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege des Landes Sachsen-Anhalt (Kinderförderungsgesetz – KiFöG) enthält in Artikel 5 Aufgaben der Tageseinrichtungen fest: „Sie sollen die Gesamtentwicklung des Kindes altersgerecht fördern und durch allgemeine und erzieherische Hilfen und Bildungsangebote die körperliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes anregen, seine Gemeinschaftsfähigkeit fördern und Benachteiligungen ausgleichen.“ (Art. 5 Abs. 1 KiFöG)

Beim Erwerb der sozialen Kompetenzen wird neben zahlreichen anderen wichtigen Kompetenzen, die die Kinder erlernen sollen, explizit auch „Toleranz und Akzeptanz gegenüber anderen Menschen“ gelistet (Art. 5 Abs. 2 KiFöG).

Bildungsplan Sachsen-Anhalt: „Bildung: elementar – Bildung von Anfang an“
Im Bildungsprogramm Sachsen-Anhalts  – „Bildung: elementar – Bildung von Anfang an“ – wird unter dem Abschnitt „Vielfalt und Inklusion“ auf Geschlechterrollenverhalten von Kindern bezogen. Zwar bezieht sich „Bildung: elementar“ ausdrücklich auf „männliches“ und „weibliches“ Verhalten und empfiehlt auch, dass Jungen* und Mädchen* in der Suche nach geschlechtlichen Rollenmustern unterstützt werden, da sie Orientierung bei der Entwicklung von Identität böten. Jedoch betont das Bildungsprogramm auch, dass Mädchen* und Jungen* jeweils ermutigt werden sollten, „untypische“ Materialien und Spiele auszuprobieren. Hier mahnt das Programm einen reflektierten Umgang mit festgeschriebenen Rollenbilder unserer Gesellschaft an und auch, dass Fachkräfte ihre eigenen Haltungen und Einstellungen gegenüber Geschlecht(errollen) hinterfragen.

In Bezug auf Körperlichkeit von Kindern und den Umgang mit den eigenen körperlichen Grenzen empfiehlt „Bildung: elementar“ verschiedenen Ansätze, damit Kinder ihren eigenen Körper und seine Grenzen offen und neugierig erkunden können. Es erinnert Fachkräfte daran, dass sie selbst im Kita-Alltag einen bestimmten Umgang mit Körper(lichkeit) vorleben.

Runderlass „Sexualerziehung an den allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen des Landes Sachsen-Anhalt“
Der Runderlass des Kultusministeriums vom 15. April 2015 hält unter dem Abschnitt „Grundsätze schulischer Sexualerziehung“ ausdrücklich fest, dass „sexuelle Identität […] Thema schulischer Sexualerziehung“ sei. Der Runderlass listet auf, dass „die verschiedenen Formen des Zusammenlebens“ thematisiert werden, gleichwohl wie auch „die verschiedenen sexuellen Identitäten“. Er empfiehlt, Geschlechterrollenbilder kritisch zu reflektieren.

Leitsätze für Diversität in der Kinder- und Jugendhilfe Sachsen-Anhalts
Die in 2016 beschlossenen Leitsätze beinhalten Grundlinien, um Diversität in der Berufspraxis von Trägern der Kinder- und Jugendhilfe in Sachsen-Anhalt zu verankern. Sie beinhalten die Aspekte

  • Interkulturalität,
  • Gender, geschlechtliche Identitäten und sexuelle Orientierung,
  • Interreligiosität,
  • körperliche, psychische, soziale und kognitive Fertigkeiten,
  • Alter/Kinderrechte

Sie wurden durch den Landesjugendausschuss als Empfehlung an die öffentlichen und freien Träger der Kinder-und Jugendhilfe auf Landes-und kommunaler Ebene weitergegeben.

Der Leitsatz Gender, geschlechtliche Identitäten und sexuelle Orientierung hat als Ziel die „Aufhebung von Geschlechterstereotypen, […] Vorbeugung und Abbau von Diskriminierung in Bezug auf die Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung und […] Geschlechtergerechtigkeit“. Dafür empfiehlt der Leitsatz u. a.,

  • die Fremdzuschreibungen bei Kindern zu minimieren, wenn nicht ganz zu unterlassen, um Kindern eine selbstbestimmte Entwicklung von Identität und ihres Rollenverständnisses zu ermöglichen.
  • zuschreibungsfreie Freiräume für Kinder, die auch die unterschiedlichen sozialen und kulturellen Gegebenheiten sowie verschiedene Familienformen berücksichtigen.
  • Inter- und Transgeschlechtlichkeit als „Varianten der geschlechtlichen Entwicklung und des geschlechtlichen Erlebens“ anzuerkennen.
  • Kinder und Jugendliche bei ihrer sexuellen Entwicklung akzeptierend zu begleiten sowie gegen homo- und transphobe Stigmatisierungen in den eigenen Einrichtungen vorzugehen.

Jugendpolitisches Programm des Landes Sachsen-Anhalt
Das vom Sozialministerium des Landes herausgegebene jugendpolitische Programm beschreibt eine eigenständige Strategie des Landes, Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Jugendpolitik im Land voranzubringen. Das Programm konzentriert sich dabei auf junge Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren.

Als Handlungsbedarfe im Bereich „Gleichberechtigung aller Geschlechtsidentitäten“ (5.3) hält es u.a. fest, dass Angebote der Kinder- und Jugendhilfe sich „noch stärker als bisher mit den Themen Geschlechtervielfalt und Gleichberechtigung auseinandersetzen“ sollten, und befürwortet eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Rollenbildern durch Fachkräfte (S. 99). Trans*, inter* und nicht-binäre Kinder und Jugendliche sollen in die Ausgestaltung von Angeboten der Einrichtungen, LSBTIQ*-Themen im Schulalltag einbezogen werden (S. 99f.).

Damit setzt das Land insgesamt einen starken Impuls, Geschlechter- und Familienvielfalt als Themen in Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe zu verankern.