oder: Was passiert, wenn Sie Ihrer Tochter einen pinken Globus kaufen, auf dem sie die Länder kaum erkennen kann?

„Bad Boy“ und „Drama Queen“

Rollenmuster werden schon sehr früh geprägt. Eine wichtige, Rollenmuster verstärkende, Funktion haben dabei Spielzeuge und (Kinder-)Kleidung. Die Botschaften, die darüber vermittelt werden, sind jedoch oftmals fragwürdig. So gibt es Schnuller zu kaufen, die Jungen* als „Bad Boys“ und Mädchen* als „Drama Queens“ abstempeln.[1] Die „Mädchen-“ und die „Jungen-Abteilungen“ in Spiel- und Bekleidungsgeschäften sind oft schon von weitem zu erkennen – bei den Mädchen* dominieren die Farben rosa und weiß, bei den Jungen* blau und schwarz/dunkelgrau.

Dass dies keine „naturgegebene“ Präferenz ist, zeigen Beispiele, die immer wieder angeführt werden und verdeutlichen, wie sehr Kleidung und Farben der sozialen Konstruktion in Gesellschaften unterliegen:

  • So war Blau ursprünglich die in westeuropäischen Adelshäusern dominierende Farbe für Mädchen*, Rot und Rosa hingegen den (adeligen) Jungen* vorbehalten.
  • Spielzeugläden, die Sie vor 50 oder auch nur 30 Jahren betreten hätten, würden Ihnen ein einheitlich buntes Bild – keine Rosa-Blau-Abteilungen – präsentieren.

Die nach Geschlechtern getrennte Produktvermarktung hat in den letzten 10-20 Jahren erst so richtig zugenommen.[2] Davon profitiert die Spielzeug- und Bekleidungsindustrie. Angenommen, Sie haben eine Tochter und einen Sohn, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie einmal das „Mädchen“- und einmal das „Jungen-Lego“ kaufen – und nicht beide mit dem gleichen Produkt spielen. Und „natürlich“ können Sie Ihren Sohn nicht in ein weißes T-Shirt mit dem rosa Schriftzug „Papas kleiner Engel“ stecken, er bekommt ein dunkelblaues mit dem Schriftzug „Mamas wilder Kerl“. Wenn man bedenkt, dass Familien in Deutschland für Spielwaren mehr als drei Milliarden Euro pro Jahr ausgeben,[3] kann man sich leicht ausrechnen, was für ein Geschäft es ist, Spielzeug anzubieten, dass sich ausschließlich an Jungen* oder ausschließlich an Mädchen* richtet.

Prägt unterschiedliches Spielzeug die Entwicklung von Kindern?

Wissenschaftler*innen und Pädagog*innen sehen diesen Trend kritisch, da sie die Botschaften, die darin vermittelt werden, als bedenklich ansehen: Mädchen*-Spielzeug vermittelt oft die Botschaft, dass es für Mädchen* erstrebenswert sei, passiv und hilfsbereit zu sein. Jungen*-Spielzeug dreht sich oft darum, etwas ins Rollen zu bringen, tatkräftig zu sein oder jemanden zu retten.

Dadurch wird die Palette von Entwicklungsmöglichkeiten – hinsichtlich von Interessen, aber auch hinsichtlich von Fähigkeiten – bereits sehr früh beschränkt: Es kann davon ausgegangen werden, dass es einen Effekt auf Mädchen* hat, wenn die Berufe und Aktivitäten, die ihnen in Spielen, Büchern und Filmen vorgeschlagen werden, mit Schön-Sein, Anmutig-Sein, Pflegen und Helfen zu tun haben. Und es kann davon ausgegangen werden, dass es einen Effekt auf Jungen* hat, wenn ihnen in Spielen, Büchern und Filmen Berufe und Aktivitäten vorgeschlagen werden, die mit Wissenschaft, körperlicher Herausforderung und Finanzen zu tun haben. Mädchen* werden nicht dazu animiert, später einen technischen Beruf zu ergreifen, sich gegen Kolleg*innen und Chef*innen zu behaupten oder gar ein höheres Gehalt einzufordern. Und auch Jungen* schadet es. Es limitiert ihr Spektrum an emotionalen Ausdruck – sie dürfen sich nicht verletzlich, zärtlich oder fürsorgend zeigen.

In Großbritannien wurde dieses Risiko erkannt. Dort gibt es seit 2019 eine Regelung, die Werbung und Marketingstrategien verbietet, in der Mädchen*/Frauen* und Jungen*/Männer* klischeehaft dargestellt und ihre Fähigkeiten aufgrund des Geschlechts infrage gestellt werden.

In Deutschland wird jährlich der „Goldene Zaunpfahl für besonders klischee-reiche oder sogar sexistische Werbung verliehen.
Die Initiative PINKSTINKS verleiht den Positivpreis „Pinker Pudel“ für „Kreative, die in Werbekampagnen mit Geschlechtsrollenstereotypen brechen und gesellschaftliche Vielfalt feiern“ (PINKSTINKS).

Media: extra 3: Gender-Marketing – Spielzeug für Kinder (2:50 min)

In diesem Sketch der Satire-Sendung „Extra 3“ des NDR werden die Effekte von Gendermarketing auf die Schippe genommen.

(Quelle: https://www.youtube.com/embed/yW1nVizYfhw)

Media: Quarks: Drängen wir Kinder in Geschlechterrollen? Ein Experiment (5:31 min)

Dieses Kurz-Experiment des WDR-Wissenschaftsmagazins „Quarks“ offenbart, wie geschlechtliche Zuschreibungen eher aus den Erwartungen der Erwachsenen entstehen, denn aus den Präferenzen der Kinder.

(Quelle: https://www.youtube.com/embed/nCYP9Nxw2s4)

Lesetipp:

Die Rosa-Hellblau-Falle, Rollenklischees im (Familien-)Alltag und wie man ihnen entkommt: www.rosa-hellblau-falle.de

Aus unserem Medienkoffer:

  • Maurizio Onano (2017): Alles rosa
  • Collien Ulmen-Fernandes/ Carola Sieverding (2018): Lotti und Otto

[1] Alle Beispiele sind dem Video in unserem Media-Tipp entnommen.

[2] Von Püppchen, Piraten und Affenkindern: Prägt Spielzeug die Geschlechter? – Artikel auf Deutschlandfunk online, 10.08.2019 (Zugriff: 20.12.2020, 15:00).

[3] Siehe dort.