Was ist der Unterschied zwischen Stereotyp und Vorurteil? Und wie hängen sie mit Diskriminierung zusammen?
Stereotyp
…sind Kategorien, die unser Gehirn unwillkürlich erstellt, um Situationen zu erfassen. Es ist ein kognitives Ordnungsraster unserer Wahrnehmung. Ein Stereotyp anzuwenden, bedeutet, einer Person oder Personengruppe bestimmte Merkmale zuzuordnen (aber andere Merkmale wiederum nicht). Es bedeutet, zu verallgemeinern.
- Zum Beispiel: Lehrer*innen haben bei Mädchen* höhere Erwartungen an die Fähigkeit, lesen zu lernen, als bei Jungen*.
- Andersherum sanktionieren sie laute Mädchen* eher als laute Jungen*, denen ein solches Verhalten eher zugesprochen wird.
Stereotype müssen nicht zwingend negativ sein. Oft bedeuten sie jedoch, dass wir unsere Wahrnehmung stark einschränken, was für die wahrgenommene Person negative Folgen haben kann – insbesondere, wenn daraus Vorurteile entstehen.
Vorurteile
Wenn Stereotype nicht hinterfragt werden, entstehen Vorurteile. Bei Vorurteilen kommt noch eine starke emotionale Komponente hinzu – z. B. Abneigung oder Empörung. Dem Stereotyp wird eine negative Bewertung beigefügt. Diese negative Zuschreibung wird auf die gesamte Personengruppe angewendet. So wirken sich Vorurteile negativ auf unsere sozialen Beziehungen aus.
- Zum Beispiel: Über Jungen*, die nicht schnell lesen lernen, wird angenommen, dass sie „faul“ oder „dumm“ sind. Vielleicht wird sogar angenommen, dass Lesen ohnehin nicht „ihr Ding“ ist, weil sie durch ihr Geschlecht eher handwerklich oder sportlich gefordert seien.
- Es gibt auch positive Vorurteile, die sich letztlich aber genauso beschränkend auswirken: Wenn von allen Mädchen* einer Klasse angenommen wird, sie würden gut und gerne lesen, beschränkt es diejenigen Mädchen*, deren Interessen und Fähigkeiten in anderen Bereichen liegen.
Wenn sich Menschen von Vorurteilen in ihrem Handeln leiten lassen, kommt es zu Benachteiligung und → Diskriminierung.
- Zum Beispiel: Jungen* erhalten bei gleichwertiger Leistung schlechtere Noten im Vorlesen als Mädchen*, weil die Erwartung ist, dass sie nicht gut lesen lernen.
Kinder – vorurteilsfrei?!
Auch Kinder sind nicht „frei von Vorurteilen“, wie manchmal angenommen wird. Bereits ab drei Jahren sind Kinder in der Lage, andere in soziale Kategorien einzuordnen und bevorzugen ihre eigene soziale Gruppe ganz selbstverständlich.[1] Dabei zeichnen sich gesellschaftliche Machtverhältnisse nach.
- Zum Beispiel: Eine Junge*, der Rosa und Pastelltöne mag, wird von anderen gehänselt. Ein Mädchen, das laut ist, wird vom Spielen ausgeschlossen.
Vorurteilsbewusste Pädagogik
Eltern und Fachkräfte können jedoch mit Kindern über Unterschiede und Vorurteile ins Gespräch kommen. Wichtig dabei ist, Unterschiede nicht auszublenden, sondern positiven Bezug auf sie zu nehmen und ein Klima der Akzeptanz und Vielfalt zu schaffen. So kann eine vorurteilsbewusste Pädagogik dazu beitragen, Vorurteile und Klischees und die daraus resultierenden Ausgrenzungen abzubauen.
Unmittelbaren Einfluss hat eine solche Pädagogik z. B. auf die spätere Berufs-, Studien- oder Ausbildungswahl der Kinder. Nach wie vor spielen hier eher Geschlechterstereotype eine große Rolle, als dass Mädchen* und Jungen* empowert werden, Berufe zu finden, die zu ihren Stärken und Interessen passen. Eine vorurteilsbewusste Pädagogik kann hier entscheidend dazu beitragen, berufsbezogene Geschlechterstereotype zu unterlaufen. Es gibt mittlerweile einige Vereine und Initiativen, wie z.B. die Initiative Klischee-frei, die Einrichtungen hierbei unterstützen können.
Media: WDR-Video: „neuneinhalb – Deine Reporter: Typisch!? (9:28 min)
Das vom WDR produzierte Video zeigt, wie Vorurteile entstehen, und macht dazu ein Experiment mit einer Grundschulklasse.
(Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=3KMCRPPZ4kw)
Media: Spielzeugliste für vorurteilsbewusstes Spielen
Die Fachstelle Kinderwelten des Instituts für Situationsansatz stellt unter dem Titel „Spielmaterialien für die Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung“ eine Liste mit Vorschlägen zur Verfügung, wie vorurteilsbewusstes, Vielfalt bejahendes Spielen mit z.B. Barbies, Spielfiguren & Co. aussehen kann (Stand: März 2019).
(Quelle: https://situationsansatz.de/wp-content/uploads/2020/02/ExtHR_Spielzeug_04.02.20.pdf)
Aus unserem Medienkoffer:
- Ludovic Flamant (2017): Puppen sind doch nix für Jungen!
- Brigitte Braun/Ka Schmitz (2007): Jule und Marie
[1] Vgl. z.B. Caroline Ali-Tani (2017): Wie Kinder Vielfalt wahrnehmen: Vorurteile in der frühen Kindheit und die pädagogischen Konsequenzen. Verfügbar unter: https://www.kita-fachtexte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/KiTaFT_AliTani_2017_WIeKinderVielfaltwahrnehmen.pdf (Zugriff: 12.02.2021, 18:00 Uhr).