Warum findet unsere Gesellschaft Jungen* in Kleidern „lächerlich“? Und sagt die Kleiderwahl etwas über die Sexualität aus?

Frauen* in Männer*- und Männer* in Frauen*kleidern

Crossdressing setzt sich aus dem englischen cross („überkreuz“) und dress („Bekleidung“) zusammen. Dementsprechend bedeutet der Begriff: Eine Person trägt absichtlich Kleidung, die innerhalb der binären Geschlechterordnung (Mann – Frau) als typisch für das jeweils andere Geschlecht angesehen werden.

Mädchen* und Jungen* lernen schon sehr früh, was sich für ihr jeweiliges Geschlecht vermeintlich „gehört“. In den letzten Jahrzehnten ist dies noch stärker durch als „rosa“ oder „blau“ vermarktete Produkte geworden (Gendermarketing). Kaum etwas ist so sehr mit vergeschlechtlichten Botschaften belegt wie Kleidung.

Jedoch ist das nichts, was Kinder zwangsläufig von sich aus wählen. Kinder sind in der Regel spielerisch im Umgang mit der Ausprägung von Geschlecht. Sie probieren sich gerne aus, wühlen sich durch die Kleiderschränke ihrer Geschwister oder versuchen sich in verschiedenen Verkleidungen beim Spielen in der Kita.

Kinder, die in Bezug auf Kleidung und Verhalten als nicht-geschlechterkonform wahrgenommen werden, werden nicht selten massiv in ihrem Ausdruck oder Verhalten in die Grenzen „ihres Geschlechts“ verwiesen. Solche Einschränkungen können sich negativ auf das Selbstbild und die Persönlichkeitsentwicklung auswirken, wie z. B. im Videoclip anschaulich dargestellt wird.

Die Grenzen sind für Jungen* hier enger als für Mädchen*. An Mädchen* und Frauen* in Hosen hat sich unsere Gesellschaft mittlerweile gewöhnt. Vor 60 oder 70 Jahren war das aber noch undenkbar. An Jungen* und Männern* in Röcken, Rüschen und Kleidern hat sich unsere Gesellschaft offenbar noch nicht gewöhnt. Ihre Kleiderwahl wird oft als „lächerlich“ oder sogar sie selbst als „schwächlich“ verspottet.

Kleidung und Identität

Kleidung ist immer mehr als das, was eine Person sich morgens aus dem Schrank holt. Kleidung spiegelt, mit welchen Fragen rund um ihre Identität sich eine Person auseinandersetzt. gleichzeitig konstruieren wir mit unserem Blick auf die Kleidung von anderen Personen ihre (vermeintliche) Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen. So urteilen wir vielleicht über einen Jungen* mit einer glitzernden Haarspange sehr schnell: „Der wird doch bestimmt einmal schwul!“, tun ihm im schlimmsten Fall als „Sonderling“ oder „Schwächling“ ab.

Kleidungswünsche von Kindern sollten durch Wertschätzung begleitet werden. Kein Kind sollte durch seine Kleidungswahl verspottet oder ausgelacht werden. Dies kommt nicht nur Kindern zugute, deren Kleidungsstile als „nicht-geschlechterkonform“ wahrgenommen werden, sondern auch Kindern aus ärmeren Verhältnissen oder Kinder, die aus kulturellen oder religiösen Gründen bestimmte Kleidungsstücke tragen.

Ist ein Junge* in einem Kleid schwul oder trans*?

Das Ausprobieren von Kleidungsstücken in einem Stil, den wir als „nicht-geschlechterkonform“ empfinden würden, trifft erst einmal keine Aussage über die Geschlechtsidentität oder die sexuelle Orientierung eines Kindes (Geschlecht & Geschlechtervielfalt). Ein Junge*, der mit 4 Jahren zum Fasching der Kita als Piratenbraut geht, kann sich genauso cis und hetero entwickeln, wie sein bester Freund, der als Roboter geht, vielleicht gerade nicht.

Media: Musik-Video: HollySiz – The Light

Ein Junge* trägt ein lila Kleid und stößt auf große Ablehnung, bis eines Tages etwas Überraschendes passiert. Ein bewegender kurzer Clip über Ausgrenzung, Bestätigung und Solidarität, der nur mit Musik und dem Zeigen von Emotionen auskommt und dadurch Raum für eigene Interpretationen lässt.

(Quelle: https://www.youtube.com/embed/Cf79KXBCIDg)

Media: FUMA-Wanderausstellung „Wieviel Klischee steckt in dir?“

Diese ausleihbare Wanderausstellung der FUMA Fachstelle Gender & Diversität NRW ist das Ergebnis eines mehrtägigen Crossdressing-Workshops mit jungen Erwachsenen. Dabei sind großformatige Vorher-Nachher-Fotos der Teilnehmenden in ihren verschiedenen Rollen entstanden, die auf 10 Roll-Ups zu sehen sind. Die Ausstellung eignet sich als spielerischer Einstieg ins Thema Crossdressing/Geschlechterrollen.

(Quelle: https://www.gender-nrw.de/wanderausstellung-cross-dressing/)

Lesetipp:

Nils Pickert (2020): Prinzessinnenjungs – Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien

Aus unserem Medienkoffer:

  • Felisa Talem (2019): Nour fragt warum?
  • Frauke Angel, Julia Dürr (2019): Disco
  • David Williams (2017): Kicker im Kleid