Heteronormativität – was ist das und wie äußert sie sich?

… ist ein Begriff aus den Sozialwissenschaften und beschreibt ein gesellschaftliches Ordnungsmuster, um Geschlecht und Sexualität zu betrachten und zu bewerten.

Heteronormativität setzt sich aus verschiedenen Grundannahmen zusammen:

  1. Geschlechter-Binarität als soziale Norm: Es gibt ausschließlich die binäre Aufteilung in Frauen und Männer – und nichts darüber hinaus. Frauen und Männer stimmen mit dem ihnen bei Geburt zugewiesenen Geschlecht innerlich überein und sie verhalten sich für Frauen und Männer typisch.
  2. Heterosexualität als soziale Norm: Die beiden Geschlechter beziehen sich in ihrem sexuellen und romantischen Begehren ausschließlich aufeinander.

Heteronormativität bedeutet, dass angenommen wird, diese Einteilung in zwei – und zwar genau zwei – Geschlechter sowie die gegenseitige Anziehung dieser zwei Geschlechter sei „naturgegeben“. Es wird unweigerlich davon ausgegangen, dass diese Annahmen der „Normalzustand“ sind.

Wie wirkt Heteronormativität im Alltag?

Heteronormativität als Norm durchzieht unwillkürlich unsere Gedanken- und Sprachwelt (→ Sprache).

Zum Beispiel:

  • Ein Frauen*-Paar soll in der Kita in einem Formular „Mutter“ und „Vater“ ihrer Kinder eintragen. Es wird unwillkürlich davon ausgegangen, dass die Sorgepflicht für Kinder von einem heterosexuellen Paar übernommen wird.
  • Ein Kind wird in der Kita gefragt, von wem es denn heute abgeholt wird – Mama oder Papa.
  • Sie werden als Elternteil gefragt, ob Ihre pubertierende Tochter „denn schon einen Freund hat“. Es wird unwillkürlich davon ausgegangen, dass Ihre Tochter sich (früher oder später) emotional und sexuell zu Jungen* hingezogen fühlt.
  • Die Kinder einer Gruppe sollen sich für ein Bewegungsspiel in „Jungen“ und „Mädchen“ aufteilen. Luca ist inter* und möchte sich keiner dieser Gruppen zuordnen. Es wird unwillkürlich davon ausgegangen, dass alle Kinder sich definitiv dem einen oder anderen Geschlecht zuordnen.
  • Als Frauen*- oder Männer*-Paar mit Kind(ern) möchten Sie das Museum besuchen, dürfen aber kein „Familienticket“ lösen. Es wird unwillkürlich davon ausgegangen, dass eine Familie aus einem heterosexuellen Paar und Kindern besteht.
  • Ihr neuer Kollege, Herr Krause, gibt an, er kommt zum Betriebsfest „mit Begleitung“. Die Organisator*innen des Festes bereiten ein Namensschild mit „Frau Krause“ für seine Begleitung vor – das der Lebenspartner von Herrn Krause auf dem Fest irritiert entgegennimmt. Es wird unwillkürlich davon ausgegangen, dass Herr Krause eine Frau als Begleitung mitbringt.

Viele dieser Beispiele zeigen, dass allein durch unser Sprechen Heteronormativität konstruiert und reproduziert wird. Begriffe, die wir verwenden, sind stark gekoppelt an Zuschreibungen und Erwartungen und setzen Geschlechter in Verhältnisse. Sprache muss sich demnach verändern, um auszudrücken, dass unsere Gesellschaft vielfältig ist. (→ Sprache) Diese Sichtbarkeit und Akzeptanz muss jedoch ebenso über rechtliche und strukturelle Grundlagen verdeutlicht und eingefordert werden.

„Ehe für alle“ und „Drittes Geschlecht“

Am 30. Juni 2017 hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für schwule und lesbische Paare verabschiedet.

Seit Dezember 2018 ist mit „divers“ eine dritte Kategorie für den Geschlechtseintrag von inter* Personen geschaffen worden. Beides sind wichtige, rechtliche Grundlagen, um die Ausschlüsse, die mit Heteronormativität einhergehen, gesellschaftlich in den Griff zu bekommen.

Dennoch sollten wir uns nicht darin täuschen, dass die Einstellungen in unserer Gesellschaft immer noch weit auseinandergehen können, wenn es um sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und Lebensentwürfe jenseits der heterosexuellen Kleinfamilie geht.

Media: Heteronormativität – einfach erklärt (3:20)

Das Video zeigt anschaulich, wie sich Heteronormativität auf zwei Brüder in einer Schule auswirkt, und welche Ideen sie haben, dem entgegen zu wirken: Wie können sich mehr Schüler*innen angenommen fühlen? Das Video wurde von Lehramtsstudierenden im Rahmen des Projektseminars „Diversity goes Digital“ an der TU Darmstadt in 2020 erstellt.

(Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=dd0X6GPM8yQ)

 Aus unserem Koffer:

  • Maurizio Onano (2017): Alles rosa
  • Olivia Jones (2018): Keine Angst im Andersrum: Eine Geschichte vom anderen Ufer